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Jineteros – kubanische „Freundlichkeit“ als Nebenverdienst

Jede/r die/der schon einmal auf eigene Faust in Kuba und nicht nur mit geführter Reisegruppe unterwegs war  kennt die netten Männer und Frauen, die einem in der Straße ansprechen und die Stadt zeigen möchten, Zigarren verkaufen, oder Helfen eine Unterkunft zu finden. In Kuba werden diese meist jungen Menschen unter dem Begriff Jineteros zusammengefasst.


Jinetera heißt eigentlich im spanischen Prostituierte und bezeichnet diejenigen Personen, die auf der Straße ihre Dienste anbieten. Meist sind es junge Männer und Frauen, die sich etwas dazu verdienen wollen, denn das Gehalt von durchschnittlich 15 Dollar monatlich reicht vielen nicht aus, weil die meisten „Luxusartikel“ wie Shampoo oder Süßigkeiten nur in Devisengeschäften zu kaufen sind und unverhältnismäßig teuer sind. (Shampoo: zwischen 1,50 und 2 Dollar)

 

Dieses Zwei-Geld-System ist überhaupt ein großes Problem in Kuba vor allem bei den Jugendlichen und vor allem in Havanna. Hier gibt es kaum Restaurants, keine Diskothek und kaum Geschäfte in denen man mit Peso Cubano zahlen kann. Wenn man mit seiner Freundin oder seinem Freund abends weggehen will, weil zu Hause bleiben aufgrund der Temperaturen und aufgrund der Überbelegung des Wohnraums – oft wohnen 3 Generationen in einer viel zu kleinen Wohnung zusammen, weil es nicht genug neuen Wohnraum gibt – mühsam ist, bleibt einem nur der Malecón, die Hafenstraße, um dort zu sitzen und was zu trinken. Diskotheken verlangen 3 bis 5 CUC Eintritt und ein Bier kostet dort bis zu 2 CUC, was für normale KubanerInnen nicht leistbar ist.

Was macht man also, wenn man auch ein bisschen westlichen Standard, den man Samstag Abends in den amerikanischen Filmen im Fernsehen vorgespielt bekommt, haben möchte? Man versucht Geld mit Touristen zu machen.

 

Jineteros erkennt man daran, dass sie meistens ein bisschen schlechtes Englisch können und dich mit Floskeln, wie „Happy Holidays“ oder „My friend, where are you come from?“ ansprechen. Manchmal fragen sie auch einfach nur nach Feuer oder um die Uhrzeit, um mit dir ins Gespräch zu kommen. Sie sind sehr freundlich, manche mit mehr, andere mit weniger Schmäh und Scharm, fragen seit wann man schon hier ist, ob einem Kuba gefällt, ob man Zigarren oder andere typisch kubanischen Produkte braucht, einen Tanzkurs oder ein Fest besuchen will oder ob man gerade eine Unterkunft sucht und bieten ihre Hilfe an.

 

Das Geschäft der Jineteros funktioniert ungefähr so: dieseR freundliche KubanerIn hat selbst meistens gar nichts zu verkaufen oder zu vermieten, kennt sich aber in seiner Stadt gut aus und jede Menge andere Leute. Wenn man Zigarren kaufen möchte bringt er/sie den /die TouristIn in irgendeinen Hinterhof zu irgendeinem illegalen Zigarrenhändler, der immer gefälschte Cohiba in oft schlechter Qualität zu einem bestimmten Preis anbietet. Der/die TouristIn kauf die Ware und der Jinetero kommt später zu dem Händler zurück und holt sich seinen Anteil. Genauso funktioniert es auch mit Casas particulares, wo der Anteil des/der VermittlerIn 5 CUC pro Nacht beträgt und auch, wenn man dann mit dem netten Herren, oder der netten Dame anschließend auf einen Cocktail geht als Dankeschön für die Hilfe, versuchen sie einem immer einen Mojito, oder Cuba libre einzureden (die teuersten Getränke) und kassieren ebenfalls anschließend ihren Anteil in den Bars (zur Veranschaulichung: ein Mojito kostet durchschnittlich zwischen 2 und 2,5 CUC. Meistens verlangen die KellnerInnen dann zwischen 3 und 4 CUC, wenn man mit einem Jinetero auftaucht. Der zuviel bezahlte Betrag wird dann anschließend ausgezahlt).

So verdient ein Jinetero an einem Tag oft mehr, als normal arbeitende KubanierInnen in einem Monat. Und sie tragen ihren neu erworbenen Reichtum durch neue moderne Kleidung – oft mit US-amerikanischen Fahnen und Logos – Goldketten und Goldzähnen im Mund in der Straße auch ganz offen zur Schau. Viele haben die Schule abgebrochen oder arbeiten nicht mehr und widmen sich ausschließlich nur mehr ihren illegalen Geschäften. Andere haben uns erzählt sie gehen nur noch arbeiten, um den Schein zu wahren, damit die Polizei ihnen nicht zu lästig wird.

Wir haben mittlerweile ein zwiespältiges Verhältnis zu den Jineteros in Kuba bekommen. Einerseits ist es verständlich, dass gerade junge Leute weggehen, sich modisch kleiden und westlichen Standard erleben möchten und daher sich selbst und Gott und die Welt an Touristen verkaufen. Wir haben auch oft bewusst ihre Dienste genutzt, wenn wir in einer fremden Stadt waren und wir eine Unterkunft gesucht haben. Man muss sich nur bewusst sein, dass dann alles ein bisschen teurer wird, als wenn man auf eigene Faust eine Casa Particular findet.

Andererseits ist es gerade in Havanna oft furchtbar lästig, wenn man an jeder und zwar wirklich an jeder Ecke angesprochen wird, ob man Taxi, Zigarren, Casa, oder sonst was braucht und man oft beschimpft wird, wenn man ihre Angebote ablehnt. Man hat oft das Gefühl, dass man als WeißeR von vielen nicht als Menschen mit Gefühlen und Bewusstsein angesehen werden, sondern nur als wandelnde Geldscheine.

 

Politisch gesehen ist diese Entwicklung natürlich sehr problematisch, da es die kubanische Regierung derzeit nicht schafft wirtschaftliche Anreize oder Perspektiven zu schaffen, um die normale Arbeit attraktiv zu machen. Viele sehen keinen Grund sich abzumühen, wenn einerseits ihr Arbeitsplatz doppelt und dreifach besetzt ist, um keine Arbeitslosigkeit aufkommen zu lassen und andererseits der Lohn, den sie für ihre Arbeit erhalten kaum zum überleben reicht und es auch keine Perspektiven gibt, einmal mehr zu verdienen. Die Devisen, die über den Tourismus legal ins Land kommen, werden kaum, oder schlecht verteilt und so entsteht durch das Aufkommen der Jineteros eine Zwei-Klassen-Gesellschaft! Jene die an Devisen über Tourismus oder illegal rankommen und jene, die von ihrem kleinen staatlichen Gehalt leben müssen. Das schafft natürlich viel Unzufriedenheit in der Bevölkerung!

Angehängte Dateien jineterosfotos.zip (267KB)

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